Bettelkind der Straße

In den Restaurants am Prachtboulevard „Prado“ ist auch das Realität: die Bettelkinder. Wie dieses kleine Mädchen kommen sie mit einer Plastiktasse (das war mal eine Verpackung für billige Margarine) und bitten, meist still, ohne Geplärre, um eine kleine Münze.

Jetzt gibt es ja diese ganz tollen Ratschläge.
„Gib ihnen nichts, die sollen nicht das Betteln lernen, sondern zur Schule gehen“.
Und wovon?
„Die müssen das Geld den Eltern abliefern, und die versaufen das dann.“
Welche Eltern?
„Die machen das nur als Verarsche. Haben eine 10-Familien-Haus, aber betteln, weil das eben einfacher ist.“
Klar. Ist ja auch so erotisch, wie der letzte Dreck behandelt oder gleich übersehen zu werden. Nichts einleuchtender, als so vorgehen zu wollen. Und von den paar erbettelten Pfennigen kaufen sie dann goldene Türklinken für ihr Riesenhaus, wohin sonst mit dem Überfluß.

Und auch kein Wunder, dass solche „Weisheiten“ regelmäßig von Leuten kommen, die sozusagen gerade das Nachbargrundstück aufgekauft haben, weil die Garage für Wohnmobil, drei Limousinen, zwei Motorräder und das Boot ja irgendwohin muß. Sind regelmäßig die Richtigen für Belehrungen über das Leben in Armut, den Zeigefinger dabei höher als der Vulkan Tunari hier nebenan.

Richtig ist: die Kleine hasst, was sie tut. Ja, wenn sie Geld bekommt, bringt sie das zu ihrer großen Schwester (die Eltern sind mal wieder sonstwo). Die Geschwister kaufen dann auf dem billigsten Markt am Stadtrand ein, die Kleine darf mitentscheiden, was, und dann kochen sie das in dem einzigen Topf aus Aluminium, den sie haben. Sie lachen dann, und erzählen sich Witze. Die Kleine ist 5, nächstes Jahr möchte sie zur Schule, ihre Schwester hat ihr versprochen, dass das was wird.
Sie heißt Nayra. Ja, sie haben einen Namen.

Habe ihr reichlich Geld in die kleine Tasse getan. Also, nach bolivianischen Verhältnissen. Etwa 4 EURO umgerechnet. Dann ginge sie jetzt nach Hause, sagte Nayra, mehr ginge nicht. Vielleicht gäbe es ja heute sogar nicht nur Kartoffeln oder Mais. Mit so viel Geld könne man ja auch mal an eine kleinen Fisch denken oder so. Sie war sehr fröhlich. Natürlich dürfe ich ein Foto von ihr machen.

Und?

Beschwerden und Belehrungen über den Umgang mit armen Kindern nimmt meine Notarin in Braunschweig gern entgegen, bitte in fünffacher Ausfertigung.
Sie hat einen guten Schredder.